"auch wahn hat sinn"

Dienstag, 22. März 2016

Fernsehkonsum

First World Problems.
Es gibt diese Tage. Mindestens 4 Mal im Monat. Meist am letzten Tag des (viel zu kurzen!) Wochenendes. Wochenende... Was war das noch gleich? Man muss nicht zur Arbeit, und dann... ? Hmm... Ich komm nicht drauf. Falls es Einer von Euch einfällt, dann dürft ihr mir sehr gerne schreiben. Nun ja. Zurück zu diesen Tagen. Draußen ist es kalt und es regnet. Ein Gang nach draußen und man kommt mit einer mittelschweren depressiven Episode die Türe herein. Also steht man, wie jeden Tag, um kurz nach 6 auf, weil es da diesen einen, kleinen Menschen gibt der an diesem besagten Wochenende mehr gebündelte Energie besitzt, als an jedem anderen Tag unter der Woche. Man macht sich selber etwas vor, in dem man die Vorhänge bis zum Anschlag zu zieht und dem Gehirn mit Kunstlicht Helligkeit und Friede, Freude, Eierkuchen suggeriert. Die Kaffeemaschine erledigt den Rest. Beschwingt sitzt der ganze Clan am Frühstückstisch und entspannt fröhnt und zelebriert man die gemeinsame Nahrungsaufnahme. Im Radio läuft der gleiche Scheiß wie an jedem anderen Tag unter der Woche und man erzählt sich die gleichen Belanglosigkeiten wie an jedem anderen Tag auch. Nur dass heute alles etwas Wochenendiger ist. Heute ist die Welt in Ordnung. Heute kommt keine Post, keine Briefe, keine Mahnungen. Heute entstresst man, heute dreht die Welt sich einfach langsamer. 
Noch...

Ein Blick auf die Uhr verrät: Es ist 6:30 Uhr. What the fuck!?

Jetzt beginnt das Reinigungsprocedere. Einer nach dem anderen wird abgefertig. Wie sonst auch unter der Woche. Nur dass heute alles gaaaaaaanz smoooooooooth abläuft. Selbst wenn ich mir noch die Haare föhne und mache und sowieso, ist es erst 7:15 Uhr. Whuaaaaaat!? 

So beginnt man ein wenig Hausarbeit zu erledigen. Der Schnodder-Misch aus Kakao, Rotze aus der Dauer-Rotznase (zwischen Krankheit und Wochenende gibt es, laut Verschwörungstheoretikern auch einen Zusammenhang- aber das ist ein anderes Thema) und Brötchen wird vom Tisch gekratzt, alles wird weggefegt (man munkelt ganz mutige saugen sogar am heiligen Sonntag). Mama und Papa kloppen sich um die letzte Pfütze Kaffee, während das Kind lautstark, für die gesamte Nachbarschaft hörbar, plärrt dass es Wasserfarben malen möchte. Natürlich, alles was Du willst! 
Selbst nach diesen, für einen Sonntag doch schon sehr sportlichen Unterfangen, ist es gerade mal 7:45 Uhr und das Kind hat den Kühlschrank schon mit seinen Meisterwerken verkleidet.

Was nun? 

Das Wochenende ist eine sehr zwiespältige Begebenheit, zumindest für Eltern. Zum einen genießt man es nicht arbeiten zu müssen. Auf der anderen Seite ist man (bin ich) tierisch genervt, dass es anscheinend ein Grundgesetz zu sein scheint, dass die Zeit zuhause am allerlangsamsten vergeht. (Gegensätzliches gilt für Singles und kinderlose Paare. Und für Eltern die kinderfrei haben. Komische Sache mit der Zeit)

Die Bude ist also wie geleckt, der Familienclan ist komplett abgefertigt und niemand hat den Elan noch irgendetwas zu tun, verdammt!  Also tun wir, natürlich nur nach sehr, sehr langer Überlegung ( das glaubt mir jetzt keiner, was?) das,was alle Eltern hinter vorgehaltener Hand tun. Wir aktivieren den Sonntagsretter: Die Glotze. Die Röhre. Die Assikiste. Die Flimmerkiste. Die Mattscheibe. Das elektronische Kindermädchen. Die Beule. Das Stubenkino. Das Whatever. Unseren Fernseher!

Bevor wir unser Kind bekamen waren wir auch noch so richtig Anti. So richtig "Fernsehen? Bah, nee!" Wir waren so "anders", so "Fernsehen fickt das Gehirn und frisst die Seele". Heute sind wir so "Boah, Fernsehen. Einfach sanft berieseln lassen nach nem hardcore Tag."  Trotzdem spielt mein Partner noch seine zehntausend Instrumente, und trotzdem schaffe ich es noch (wenn nicht gerade ne Tonne Wäsche und Schmutzgeschirr meinen Weg kreuzen) meinem Hobby, dem Schreiben, nachzugehen. Selbst unser Kind ist noch relativ gesellschaftsfähig, hat einen großen Freundeskreis und besitzt mehr Fantasie als der Schreiber von Alice im Wunderland. Und trotzdem schaffen wir es noch familiär, als Einheit, unsere halbe Butze mit selbstgebasteltem, selbstgemalten, hochkreativen Dingen zu verschönern. Bei uns gibbet keine halben Sachen. Ganz oder gar nicht. Ich weiß nicht in welche gesellschaftliche Schicht ich uns als Familie einordnen würde. Allein schon dass wir Eltern sind packt uns doch schon in irgendeine gesellschaftliche Schublade, deren Rolle es als gerecht zu werden gilt. Alles negative, schlechte, wird verbannt. Wenn ich mir heute auch nur im entferntesten vorstelle, jemals wieder so unsicher, so naiv und so wenig selbstbestimmt zu sein, wie ich es kurz nach Mayas Geburt war,wäre mein Leben nicht Mal halb so schön. Nicht halb so entspannt. Und ich könnte nicht geniessen. Das sind allerdings Dinge die mir als Mutter, und vor allem als Mensch (!) unheimlich wichtig sind und an denen ich festhalte.

Lasst die Kinder doch Kinder sein. Und wenn sie ab und an mal in die Röhre schauen wollen, dann ist das auch absolut okay! Ich muss ja jetzt wohl nicht erwähnen, dass die ganze Klamotte kindgerecht von statten gehen sollte. Heißt im Klartext: Kein Texas Chainsaw Massacre für die Kleinsten. Aber ne Folge, oder zwei, oder drei, oder vier, oder (jetzt wird's heikel) fünf verdammte Folgen Peppa Wutz, Lauras Stern oder weiß der Kuckuck sind halt auch mal drin. Und manchmal ist das auch verdammt gut so! Ich hab schon von Eltern gehört, die jede Folge Caillou vorschauen, bevor es die 4-jährige tut. Die Zeit hätte ich mal gern. 
Ist das nicht auch schon ein "in-Watte-packen"? Das Leben ist kein Ponyhof, und Caillou ist friedlicher als der Dalai Lama! Also bitte!

Dies ist übrigens die Empfehlung der BzgA:



0-2 Jahregar kein Fernsehen
3-5 Jahremaximal 30 Minuten
6-9 Jahremaximal 60 Minuten
10-13 Jahremaximal 90 Minuten
(Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)

Ich frage mich da, wie es die Eltern halten, die mehrere Kinder haben. Wird der kleine, 2-jährige Bruder dann aus dem Wohnzimmer verbannt, weil der große ne Folge Trotro schaut?  Das wäre ja auch schon wieder unzumutbar für das psychische Wohl des Kindes. Getrennt von einer Bezugsperson. Aiaiai.
Dröge Theorie.
Esst ihr auch nur ne halbe Tafel Schokolade weil mehr ja schlechter ist?
Fahrt ihr als Großfamilie nur noch Rad, weil Autofahren schädlich ist?
Trennt ihr immer zu 100 % den Müll? Na? Wirklich? Auch an Kindergeburtstagen?

Ihr seht worauf ich hinaus möchte. Das Gift macht die Dosis. Wenn die Kids mal was schauen wollen, dann ist das okay und bedarf, meines Erachtens, nicht immer einer Stellungnahme unsererseits (vor allem nicht gegenüber anderen Eltern) und muss auch nicht mit einem schlechten Gewissen einhergehen.

In diesem Sinne. Habt euch lieb. Genüssliches Rudelgucken, Jule ♥






Die Bilder stammen von Donna Stevens, aus der Fotoreihe "Idiot Box". Die Künstlerin hat Kinder beim fernsehen abfotografiert. Böse.

Hier geht's zum Fotoprojekt

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