"auch wahn hat sinn"

Freitag, 27. März 2015

Die Offenbarung: Mama hat Karies!

Manchmal müssen wir uns entscheiden, so ist das nun mal im Leben. Zwischen gut oder böse, Lüge oder Wahrheit, Pizza oder Salat, und zwischen Moralpredigt und High-Five. Ich schwanke. Ständig. Doch in einer Sache bin ich stets konsequent: Dem Zähneputzen! Es gibt in meinen Augen nichts fieseres als kariöse Kinder! Ich hatte mal einen Ex-Freund, der nie gelacht hat, weil er faule Vorderzähne hatte. Ich habe schluß gemacht, als er über einen meiner Witze lachte. Seitdem verbinde ich mit Karies-Kids immer diesen erwachsenen Ex-Freund mit der überaus fiesen Zahnfäule. Also trimme ich meine Tochter seit der erste Zahn auch nur ansatzweise begann einzuschießen darauf, dass Sie täglich ihre Zähne putzt. Ausdauernd  und geduldig! Braves Kind! Manchmal muss ich Sie hinterhältig bestechen, aber damit kann ich guten Gewissens leben. Ich dulde V E R D A M M T  N O C H M A L nicht, dass meine Tochter, mein Fleisch und Blut, mein Ein- und Alles, ein Karies-Kid wird! Also putze ich, als ginge es um mein Leben! Mit Engelszungen redete ich auf Sie ein, als Sie versuchte, in einem Trotzanfall, mir mit ihrer Glitzer-Zahnbürste ein Auge auszustechen. Ich holte ganz tief einen raus aus der mütterlichen Trickkiste und versuchte ihr, pädagogisch so wertvoll wie möglich einen von Karies und Kollege Bactus zu erzählen. Die großen Kulleraugen weiteten sich und ein angespanntes Schweigen durchzog die Räumlichkeiten. Aufgeregt hörte Sie meinem Redeschwall über Bakterien und schwarze Löcher zu. Ich setzte noch ganz massiv einen obendrauf und bot Anschauungsmaterial der Extraklasse. Ich zeigte ihr mein Loch im Zahn, das in Form einer fetten Amalganfüllung in meinem rechten Backenzahn sichtbar ist. "Oooooooh", raunzte Sie entsetzt. "Mama hat Karies!" schrie Sie, und war sichtlich schwer entsetzt und durchforstete mit ihren kleinen Fingern meine Mundhöhle. Gefolgt von einem langen "Iiiiiiiih". Na herzlichen Dank auch!
Ich war mir noch nicht bewusst, was ich damit anrichten würde.

Beim Abendessen erzählte Sie dem Papa ganz aufgeregt von dieser schwerwiegenden, verstörenden Neuigkeit. "Mama hat Karies, Papa!", stammelte Sie, als hätte Sie gerade erfahren, dass Mama nur noch einen Tag zu leben hat. In einem kleinen Anflug von Schuldgefühlen erklärte ich Ihr nocheinmal was Karies ist (kindgerecht!) und dass Sie ihn nicht bekommen kann. Weil Sie eben immer so fein putzt. Doch wie ein Kind sich Karies vorstellen kann, dessen war ich mir nicht bewusst. Sie klopfte mit ihren Fäusten auf den Tisch, stand aus ihrem Hochstuhl auf und ging zielstrebig zur Türe. "Wer ist denn da?", fragte ich. Sie riss die Türe auf, schrie: "DER KARIES!" und rannte psychotisch zum Tisch zurück.

 Das wurde eine lange Nacht mit vielen Erklär- und Erzählkünsten. (Aber ihre Zähne putzt Sie verdammt gut!)

Wochenlang war das Thema vom Tisch, wir führten schon beinahe wieder ein normales Leben, bis zu dem Tag, als ich mit ihr zu unserem Ghetto-Netto fuhr. Es war schon abend und das Kind nicht mehr allerbester Laune. Entnervt packte ich meine Einkäufe in die linke Hand, und das Kind unter den rechten Arm, das mit aller Gewalt versuchte mir ein Loch in dem Arm zu beissen. Ich legte alles auf's Kassenband und stellte die Ullige entnervt ab. Die zog sofort ab Richtung Ü-Eier ('Überwachungseier', wie sie Sie nennnt). Konsequent, wie ich sonst, außer beim Zähneputzen, nicht immer bin, sagte ich nein, und packte Sie vor mich. Sie schrie als hätte man Sie angeschossen, bis Sie plötzlich still wurde. Ich atmete tief durch um den Wahnsinn ein Schnippchen zu schlagen und freute mich über diese kurze Ruhephase. Ich kraxelte mein Portemmonaie raus und wollte gerade zahlen, als ich sah wie meine Eule zur Kassiererin ging. Diese sagte ihr nett "Hallo", und bekam als Antwort nur ein "Mama hat Karies. Iiiiiiiih!" 




Ich nenne es Karma.

Freitag, 20. März 2015

Ich gönn' Dir deinen Schlaf nicht, PAPA!

Nein, diesen Satz hat tatsächlich nicht meine Tochter von sich gegeben (obwohl es gut denkbar gewesen wäre). Dieser Satz stammt von mir. Oder besser gesagt: Er entstand aus einem Gespräch zwischen mir und einer lieben Freundin, die gerade einen Frischling auf die Welt gebracht hat. Sie ist neu in diesem Business, ich mit einer fast 2 1/2 jährigen schimpfe mich da schon eher als alter Hase. Wobei Mütter mit älteren Blagen jetzt herzlichen lachen dürfen und mich mindestens so naiv abschreiben dürfen, wie ich das mit Frischlingsmüttern auch mache. Oder aber mit Schwangeren. In einer Sache habe ich ihr aber zu 100 %, nein sogar zu 10000 % Recht geben müssen. Dass der arme Mann ständig schläft. Dass der Sausack überhaupt entspannt schlafen kann. ENTSPANNT, verdammt nochmal! Was denkt er sich dabei nur!? - Richtig! Nichts! Seitdem ich Mutter bin, weiß ich, wie unentspannt schlafen doch sein kann. Dass der Tiefschlaf nur etwas für Kinderlose ist. Ja, ich schreibe diesen Satz mit einem verachtenden Unterton. Pfft! Ja, in Wahrheit bin ich neidisch. Auf ihren Schlaf. Und noch viel, viel mehr auf den Schlaf meines Mannes! Für ihn ist klar, dass die Nacht zum schlafen da ist. Für mich ist klar, dass das große Zittern nun beginnt. Ich atme leise und bedacht. Jedes Geräusch macht mich nervös. War das ein Schmatzen? Hat es gehustet? Dreht es sich und wird gleich wach? Die Spannung ist beinahe nicht mehr auszuhalten. Meine Hände schwitzen und sind angespannt. Grazil wie eine Gazelle strecke ich mich und rolle dann wie ein Sack Reis auf den Bauch und falle in einen leichten Halbschlaf. Ich träume von einem sauberen Haus, einer hässlichen, aber überaus fleißigen Nanny die bereits über 50 ist und sich rührend um das Kind kümmert, während Sie mir mit ihrer freien Hand die Füße massiert, ich träume von viel Geld und einem straffen Bauch. So abgetaucht in meinem kleinen Mikrokosmos der Fantasie beginne ich leicht, ganz leicht mich zu entspannen. Bis ich es höre... Ein Grunzen... Ein Wildschwein bricht in mein sauberes Haus ein und verwüstet alles! Sein Grunzen lässt die glänzenden, streifenfreien Fenster meines Traumhauses zerbrechen und die hässliche, alte Nanny flüchtet um nie mehr wiederzukommen. Ich schrecke auf, bin schweißgebadet! Ich öffne die Augen und bemerke schnell, dass das Grunzen grausame Realität ist. Bamm! Mit einem Schlag befinde ich mich im hier und jetzt! Ich blicke nach Rechts und erkenne im Mondschein den glänzenden Speichel der meiner vermeintlich besseren Hälfte aus dem Mundwinkel läuft. Gepaart mit dem grässlichsten Grunzen, einer Mischung aus paarungswilligem Eber und Kettensäge, steigt mein Aggressionslevel an seine Grenzen. Ein liebevoller Schubs meinerseits und der Eber rollt auf den Rücken. Das ändert nichts an dem Soud den er von sich gibt. Ich halte ihm liebevoll die Nase zu, doch die Geräusche werden nicht leiser- im Gegenteil. Ich bin erschlagen! Die Arbeit war stressig, die Bude sah aus wie Sau, und ich konnte froh sein, mein Kind noch begraben unter Spielzeugen ausfindig zu machen. Das Mittagessen verbrannt, weil das Kind sich bis unter den Hals vollgekackt hatte. Daneben noch Papierkram erledigt, Geburtstagsgeschenke verpackt und für jeden nen halbwegs netten Spruch ausgedacht, während man mit der anderen Hand Hunde und Katzen mit dem Kind malt. Und jetzt sowas!? Wieso ist das Leben nur so ungerecht? Ich verpasse meinem Ebermann einen Tritt. Ich bin sauer! Er bemerkt ihn nicht mal. Ich drücke mir mein Kissen ins Gesicht und schlafe vor lauter Wut irgendwann einfach ein. In meinem Traum beginnt die Nanny mein Haus wieder aufzubauen, bis wir beide ein schreckliches Kreischen vernehmen. Wieder macht Sie sich aus dem Staub. Ich bemerke einen immer größer werdenen Schatten, die Erde bebt. Da entdecke ich es: Meine Tochter ist gefühlte 100 Meter groß und läuft mit langsamen Tippelschritten auf mein Haus zu. Ich schrecke aus dem Traum hoch. Kindergeschrei! "Maaaaaamaaaaaaa, hol mich! Ich hab Kacka! Maaaaaaaaaamaaaaaaaaaaaaaa... Maaaaaaaaaaaaaaaaamaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!"

Buhuhuhu...

Im Halbschlaf (es ist mittlerweile 3 Uhr) tapse ich in ihr Zimmer. Sie ist hellwach und strahlt mich an. "Hab Kacka gemacht." -"Feeeeeein."
Routiniert mache ich ihr einen frischen Hintern. Zack, zack, fertig. Der Versuch Sie in ihr Bett zu legen scheitert. Protest macht sich breit. Mir klingeln die Ohren. Also nehme ich Sie mit.

Sie findet das Schnarchen witzig. "Oh, der Papa narcht!" Und steckt ihm einen Finger in die Nase. Er schmatzt und gibt kuriose Geräusche von sich. Das Kind kann sich vor lauter Lachen nicht halten. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Finger schnell genug aus seinem Mund zu ziehen bevor dieser sich unter grunzenden Lauten wieder schließt. Ich fasse es nicht. Jeder Versuch Sie zum schlafen zu bringen scheitert. Und der Papa? Der kriegt von all' dem mal wieder nichts mit. Die nächtlichen Eskapaden ziehen an ihm vorbei, obwohl er voll im Mittelpunkt steht.
Ich beschließe mich einfach zur Seite zu drehen und schaue noch einmal auf die Uhr. Gleich 4. Ich rechne mir aus, dass ich noch 2 Stunden schlafen kann bevor der Wecker schellt. Langsam schlafe ich ein. Hier und da erwischt mich die Faust meiner Tochter oder ich bekomme hier und da mal einen Tritt in die Rippen. Um kurz vor 6 schellt mein Wecker. Ich watschel wie ein Zombie runter in die Küche.
Mein Mann sitzt gut gelaunt am Küchentisch mit einem Kaffee in der Hand. Er küsst mich enthusiastisch auf meine fettige Stirn und fragt mich, ob ich gut geschlafen hätte.

In mir machen sich Mordgedanken breit.